Präambel

Amerika war das erste Land, in dem konsequent eine fabrikmäßige Uhrenproduktion eingeführt wurde. Es erfolgte eine klare Abkehr von der Jahrhunderte alten europäischen Tradition der handgefertigten Zeitmesser und eine Hinwendung zu einer mit Hilfe von Maschinen gebauten preiswerteren Taschenuhr. Viele der Teile waren völlig gleich und daher problemlos austauschbar. Bezahlbare Serien mit gleichzeitig hohen Produktionszahlen konnten entstehen. So wäre beispielsweise die nachfolgend weiter unten aufgeführte "Hamilton" mit 21 Steinen - wenn sie in der Schweiz hergestellt würde - unerschwinglich. Durch die beiden großen Eisenbahnlinien, welche das riesige Land durchqueren, waren die USA führend in der Entwicklung und Herstellung von exakt laufenden sogenannten "Railroad-Chronometern".

Gleichzeitig hatten diese Uhren Klasse: Es gibt kaum einen Liebhaber von Taschenuhren, der nicht irgendwann eine amerikanische Taschenuhr in den Händen gehabt hätte und vom soliden Gehäuse und dem fein damaszierten Werk mit den geschraubten Lagern und dem speziellen Feinregulator fasziniert gewesen wäre.

Um 1900 lehrten die fünf größten Firmen der USA (Waltham, Elgin, Hamilton, Illinois u. Hampden) nicht nur die Schweizer das Fürchten. Sämtliche Konkurrenz aus Europa wurde zu weitreichender und schmerzender Rationalisierung gezwungen. Etwa um 1850 begann eine millionenfache amerikanische Erfolgsstory, um ziemlich exakt 100 Jahre später wie eine Sternschnuppe wieder spurlos zu verschwinden.

Wir sollten das nicht undokumentiert lassen.


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seltene Taschenuhr der "United States Watch Co." aus Marion, New Jersey, mit "exposed escapement"

sehr schweres, unglaublich gut erhaltenes Savonnette-Gehäuse aus Coin-Silber; Goldscharniere; Sprungdeckel mit freier Monogrammkartusche; Staubdeckel ebenfalls Silber; makelloses, signiertes Emaille-Ziffernblatt mit großem, vertieftem Sekundenbereich; originale Stahlzeiger - der schöne Sekundenzeiger ist erwähnenswert; kratzerfreies Mineralglas; Glaslünette mit Scharnier; Zeigerverstellung mit Schlüssel im Ziffernblattzentrum und Aufzug werksseitig

das Werk sieht ebenfalls blendend aus und funktioniert auch prächtig; es ist die beste Serie dieses Modells; auffällig ist der Ausschnitt in der Platine über der Hemmungspartie - die Amerikaner sagen bezeichnenderweise "butterfly-shaped cut" dazu (patentiert am 13. März 1866 von Frederick Asa Giles - ist auch so auf der Platine verewigt); Vergoldung einwandfrei; 19 Rubine; die Rubine für Anker- und Ankerradwelle sitzen in Stahlplättchen welche bündig in die dicken Platinen eingearbeitet wurden; 2 verschraubte Chatons; Kolbenzahn-Ankerhemmung mit großen, offenen Rubinpaletten - Anker mit ringförmigem Gegengewicht; langer, fein verzierter Unruhekloben; großer Unruhereif aus Bimetall mit Regulageschrauben aus Rotgold; Unruhewelle unter Rubin-Deckstein; Verstiftung der Spirale im auf der Platine verschraubtem Stahlarm - dient auch als frühe Stoßsicherung; langer Rückerzeiger über Regulierskala aus Silber; Werk signiert mit "Marion N. J., Fayette Stratton" und der frühen Werksnummer (15009)

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Durchmesser ca. 57mm; hergestellt um 1869/70; der Stolz der Technik wiegt über 150 Gramm
Wert ca. 1600 Euro


Diese 1865 von F. A. Giles gegründete Firma hatte klare Vorstellungen: Ihre Werke sollten die auf dem Markt befindlichen Produkte übertreffen und unverwechselbare Merkmale aufweisen. Und Giles (der nicht nur Präsident sondern auch Uhrmacher war) stellte seine erfinderischen Fähigkeiten eindrucksvoll unter Beweis - ein Patent folgte dem anderen. Bei unserer Uhr ist sein schönstes Patent zu sehen, nämlich die schmetterlingsförmige Öffnung in der Platine, damit der Betrachter die arbeitende Hemmung sehen kann. Im September 1870 stellte die "USWCO" auf einer Veranstaltung des American Institut in NewYork aus und errang prompt eine Goldmedaille für "die beste Uhr Amerikas". Die Sucht Anzugeben und der Einsatz kostspieligster Produktionsmittel zur Erreichung überdurchschnittlicher Ergebnisse führten früh zum Niedergang des Unternehmens. 1874 ging die Firma in Konkurs, als letzter Ausweg versuchte Giles eine Neugründung unter dem Namen "The Marion Watch Co.". Ende 1875 uferten die Schulden aus - die damals gewaltige Summe von 475.000 Dollar stand auf der Sollseite. Ab März 1876 wurde verkauft was an den Mann zu bringen war. Aus - vorbei - passé.

Insgesamt wurde nur eine geringe Anzahl an Uhren hergestellt, einige wenige jedoch können auch heute noch mit Stolz getragen werden.


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schwere Taschenuhr von "Seth Thomas" aus Thomaston/Connecticut

im tadellos erhaltenem, glanzpoliertem Stahlgehäuse; hinterer Deckel und vordere Glaslünette geschraubt - die Gewinde greifen einwandfrei; sehr schönes, dreiteiliges, signiertes Emaille-Ziffernblatt mit roter Minuterie; stahlgebläute Spade-Zeiger; hochgewölbtes, dickes Mineralglas; Zeigerverstellung durch Ziehen an der Krone

feines, vernickeltes Dreiviertelplatinen-Stahlwerk mit Streifenpolituren; es ist die dritte Werksserie (Model 3) von Seth Thomas in der besten Ausführung mit 17 Rubinen; fünf verschraubte Rotgoldchatons bis hin zum Minutenrad; safety pinion; aufgeschnittener Kompensations-Unruhereif mit Regulageschrauben aus Rotgold; Unruhewelle unter Decksteinen; blaue Breguet-Spirale mit Endkurve; Schwanenhals-Feinregulage; polierter Stahlanker mit offenen Rubinpaletten mit Lager in der Werksebene

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Durchmesser ca. 57mm; hergestellt um 1900
Wert ca. 600 Euro


Die "Seth Thomas Company“ aus Plymouth/Connecticut bestand seit dem Jahr 1813 und befaßte sich zuerst mit der Herstellung von Großuhren. 1865 dann Umzug nach Thomaston/Conn., und ab 1884 wurden auch Taschenuhren hergestellt. Interessant ist, dass bei Seth Thomas die Kaliberauswahl stets klein war und die Werksausführungen aus wenigen Qualitätsstufen bestanden. Hier haben wir es mit dem Modell Nr. 3 in der besten Ausführung zu tun.


>> Man muß sich den Zeiten anpassen, es sei denn, man hätte das Format, ihnen seinen Stempel aufzudrücken. <<


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interessante "Elgin" aus Illinois - gesuchtes Modell "Convertible"

Das "Convertible-Werk" ist ein sehr gesuchtes Kaliber, weil es einen ganz besonderen Zeigerverstell- bzw. Aufzugsmechanismus hat: Die Zeigerverstellung erfolgt kurioserweise über das Sperr-Rad des Aufzuges, das dafür extra entkoppelt wird (das Übertragungsrad kann man im Zentrum des Werkes erkennen, das Sperr-Rad des Aufzuges hebt und senkt sich je nach Schieberposition und entkoppelt damit Zeigerstellung und Aufzug). Es kann sowohl in einem Savonnette- als auch in einem Lepine-Gehäuse eingebaut werden - daher auch der Name "convertible/verwandelbar". Die Werke wurden allerdings nur 2 Jahre hergestellt und in einer recht geringen Menge von nur jeweils 12.000 Stück - die Herstellungskosten waren analog zum Absatz viel zu teuer.

im glanzpoliertem, schweren Silveroid-Gehäuse mit versetzten Goldscharnieren; signiertes Emaille-Ziffernblatt mit vertieftem Sekundenbereich; stahlgebläuter, originaler Zeigersatz in Spatenform; extrem dickes, plangeschliffenes Mineralglas; Zeigerverstellung über Schieber unter der Glaslünette bei der vier

seltenes, vergoldetes Werk mit insgesamt 15 Rubinen; auffällig ist natürlich das spiegelpolierte Sperr-Rad welches mit einer langen Feder in Aufzugsposition gehalten wird; über dem Minutenrad ist das spiegelpolierte Übertragungsrad für die Zeigerverstellung gelagert; fein verzierter Unruhekloben; aufgeschnittener Kompensations-Unruhereif mit Regulageschrauben teils aus Rotgold, teils aus Stahl; Unruhewelle unter Decksteinen; Schweizer Ankerhemmung mit offenen Rubinpaletten; die Werksschrauben sind stahlgebläut

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Durchmesser ca. 53mm; hergestellt lt. Werksnummer 1884
Wert ca. 500 Euro


hier noch etwas ELGIN-History...
Das Unternehmen wurde in Chicago während des Bürgerkrieges von einer Gruppe von Investoren gegründet, der auch Benjamin Wright Raymond (ehemals Bürgermeister von Chicago), und John C. Adams, ein Uhrmacher aus Chicago, angehörten. Weitere Gründer dieses neuen Unternehmens, das sich zunächst National Watch Co. nannte, waren Ira Blake und P.S. Bartlett, beide arbeiteten zuvor bei der American Horology Company, der späteren Waltham. 1867 begann das Unternehmen mit der Herstellung von Uhren in dem eigens dafür neu errichteten Werk in Elgin, westlich von Chicago. Ihr selbstentwickeltes 18-Size-Vollplatinenwerk wurde nach dem Firmengründer B.W. Raymond genannt. Ab 1874 hieß die Firma Elgin National Watch Co., sie produziert in den 1880er Jahren ca. 500.000 Uhren per anno. Anfangs des 20ten Jahrhunderts stellte Elgin mehr Uhren als Waltham her und wurde somit zur weltgrößten Uhrenmanufaktur. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Konkurrenzdruck aus Übersee immer größer, auch der Zusammenschluß von 1951 mit Waltham zur Firma Elgin & Waltham konnte den Untergang des Unternehmens nicht verhindern. 1965 wurde das gesamte Produktionsareal von Elgin geschlossen und ein Jahr später abgerissen.


>> Die Zeit bekehrt mehr Menschen als die Vernunft. << (Thomas Paine)


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schwerer Railroad-Chronometer der "Hamilton Watch Co." aus Lancaster/Pennsylvania

sehr beeindruckend kommt dieser amerikanischste aller Amerikaner daher: es ist der Railroad-Chronometer (Grade 940) schlechthin; liegt in der Hand wie der sprichwörtliche glatte Kieselstein; das glänzend-glatt polierte Nickel-Gehäuse stammt von der "Star Watch Case Co." aus Ludington/Michigan und gehört noch original zum Werk - was bei amerikanischen Uhren weißgott keine Selbstverständlichkeit ist; sog. Wannengehäuse mit abschraubbarer Glaslünette (Railroad-Standard) - die Gewinde greifen perfekt; schön erhaltenes, dreiteiliges, signiertes Emaille-Ziffernblatt mit roter Minuterie; originaler, stahlgebläuter Zeigersatz in Spatenform - Zustand wie neu; Zeigerverstellung nach Railroad-Standard über Schieber unter der Glaslünette bei der zwei (look at the pictures); ebenfalls noch originales, kratzerfreies, zum Rand hin eingeschliffenes Mineralglas

nach dem Abschrauben der Glaslünette zieht man kraftvoll an der Krone (klack!) und danach kann man das Werk herausklappen; es erscheint ein qualitätvolles, vernickeltes und fein damasziertes Hochleistungsmaschinchen mit insgesamt 21 Rubinen; schwerer, obenliegender Kompensations-Unruhereif mit Regulageschrauben aus Rotgold; Unruhewelle, Ankerwelle und Ankerradwelle zusätzlich unter Decksteinen; blaue Breguet-Spirale mit Endkurve; eine Augenweide ist natürlich die Feinregulage von "William Goldthwait" - gibt es so nur bei Hamilton und wurde am 6. Mai 1890 patentiert (Nr. 427072): seitlich am Unruhekloben befindet sich ein feines Schräubchen, welches sich frontal und auch an den Flanken mit einem Schraubenzieher bewegen läßt - damit läßt sich der durch eine Gegendruckfeder gehaltene Regulator bewegen - und der wiederum bewegt einen extra langen Rückerzeiger, an dem man nun die "allerfeinste" Feineinstellung ablesen kann; Ankerhemmung mit offenen Rubinpaletten; incl. Unruhewelle sechs verschraubte Goldchatons; alle Schrauben spiegelpoliert und super erhalten; natürlich safety pinion; in 5 verschiedenen Lagen und bei 2 Temperaturen seinerzeit einreguliert; Firmenname, Werksnummer etc. mit Goldschrift eingraviert; Gangreserve ca. 40 Stunden; die letzte Revision beim Uhrmacher war erst kürzlich im Mai 2019

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Durchmesser ca.57mm; hergestellt lt. Werksnummer 1905
Wert ca. 825 Euro


Hier die vier klassischen Zifferblätter für amerikanische Railroad-Kaliber, die es in verschiedenen Ausführungen gab:

Montgomery Dial

Boxcar Dial

Ferguson Dial

Blindman Dial


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